Ich bin dann mal wieder da!

Also eigentlich war ich gar nicht weg. Jedenfalls nicht so wie Hape Kerkeling auf einem Kreuzweg. Wenn auch der Titel das assoziieren sollte. Doch man hat auch so sein Kreuz zu tragen. Mit der Familie und den Kindern. Da macht man aber eigentlich doch gerne. Vor allem, wenn man dafür gelobt wird. Es kann aber auch sein, dass das Kreuz, das man zu tragen hat, nicht unbedingt notwendig ist. Auseinandersetzungen mit der Ex oder Ärger über Freunde, für die Freundschaft eine andere Bedeutung hat, als für einen selber.

Aber um der Überschrift gerecht zu werden, die ja die Rückkehr einer zeitlich beschränkten Ortsabwesenheit beschreibt: ja ich war schon weg gewesen. Zu den besonderen Ereignissen eines Menschen gehört auch der stationäre Aufenthalt in einem Krankenhaus. Ich hatte acht Tage das Vergnügen.

Da wohl der letzte Arztserien-Junkie weiß, dass der Alltag in einer Klinik alles andere als „heile Welt“ ist – im wahrsten Sinn des Wortes -, wird jetzt auch keine Story erwarten können: >Schwesternschülerin liebt Assistenzarzt< oder >Chefarzt schwängert Oberschwester< oder ähnliche Titel. Allerdings will ich an dieser Stelle weder den durch strukturierten Krankenhaus-Alltag beschreiben, noch eine Geschichte in Tagebuch-Form, so nach dem Motto eines Schulaufsatzes: >Meine schönste OP< oder >Schlimme Tage auf der Intensivstation< oder ähnliche Titel. Die Überschrift die ich ja letztendlich gewählt habe finde ich da doch schon interessanter. Macht einfach mehr her. Soll ja auch bedeuten, dass, wie ich beim Öffnen dieser Web-Seite feststellen musste, ich schon länger nichts mehr geschrieben habe und mich mit diesem Text wieder zurückmelden möchte.

Doch jetzt wieder zurück zu meinem Aufenthalt in der Klinik. Da ich doch schon öfters im Krankenhaus gelegen habe, wird man hier auch Szenen aus früheren Klinikaufenthalten finden. Als Mensch ist man ja so empfindlich. Wenn man bedenkt, dass man eher Schaden nimmt von Individuen die man noch nicht einmal mit bloßem Auge entdecken kann, als wenn man von einem Auto überfahren wird. Und die Biester sind auch noch klever. So erweisen sich ja manche Bakterien resistent gegen viele Antibiotika. So sind auch viel mehr Menschen an der Pest verreckt, als es Tote in so manchen Schlachten und Kriegen gab. Nebenbei bemerkt ist der Mensch doch eine Fehlkonstruktion der global, suizidales Verhalten an den Tag legt. Wir treiben Schindluder mit unserer Umwelt, bauen Atomreaktoren die, wie in Tschernobyl und jetzt in Japan, so anfällig sind, dass sie bei Störungen tausende von Menschen in Gefahr bringen, töten, oder mit Langzeitschäden behaften. Aber mich hatten weder Viren noch irgendwelche Bakterien niedergemacht, sondern ich musste des Öfteren schon einige Operationen über mich ergehen lassen. Welche, das ist nicht relevant und tut nichts zur Sache.

Im Vorfeld sollte ich auch noch erwähnen, dass ich mir eigentlich gedacht hatte, mich für ein paar Tage ausruhen zu können von der Last des Oben erwähnten Kreuzes. Doch irgendwie hat das dann doch nicht so recht funktioniert. Nicht, dass es an den Mitpatienten lag, mit denen ich mein Zimmer teilen musste. Da hatte ich Glück, denn sie ließen mir meine und ich ihnen ihre Ruhe. Gespräche waren dann auch selten und wenn, dann Unterhaltungen und keine Verhöre, wie man es ja auch kennt; vor allem von den Angehörigen und Besuchern.

Da gibt es zum Beispiel Zeitgenossen, die einem den letzten Popel aus der Nase fragen, nach Biographie, Herkunft, Beruf, Grund des Krankenhaus-Aufenthalts und Anamnese. Dieser Typus hat dann auch meistens die Eigenart, bei Antworten auf Fragen nach Krankheiten, dieselben gehabt zu haben, aber dann mit immer schlimmeren Symptomen und die eigenen Erkrankungen als Lappalien herunterspielen. Diese Spezies hat auch die Angewohnheit einen mit einem jovialen Du anzusprechen. Schutz vor solcher Gattung bietet arrogante Ignoranz. Vielleicht sollte man aber auch versuchen, bei der Frage nach der gesundheitlichen Vorgeschichte, einige psychische Erkrankungen und Aufenthalte in geschlossenen Stationen psychiatrischer Kliniken zu erfinden. Ich könnte mir denken, eine paranoide Schizophrenie mit Fremdgefährdung, lässt so manchen Besserwisser verstummen.

Aber auch Besucher sind ein Thema für sich. Es gibt da Patienten die halten von morgens bis abends Audienz. Selbst die Mittagsruhe ist für sie kein Tabu. Da gibt dann der eine Besucher dem anderen Gast die Klinke in die Hand oder erscheinen sogar im Rudel. Das ist besonders bei Menschen mit muslimen Hintergrund die Sitte. Aber auch bei unseren Landsleuten ist es manchmal üblich, dass Besucher in Gruppen das Krankenzimmer ihren Angehörigen, Bekannten oder Freund defilieren. Auch darunter wieder einige Spezies, die sämtliche Krankheiten mit Symptomen und Therapievorschlägen kennen. Eigene Erfahrungen werden natürlich auch angeführt. Meistens ist es dann auch so, dass die Klinik in der man sich befindet überhaupt nichts taugt, Ärztepfusch an der Tagesordnung ist und man schon einige Horrorstorys vernommen hat. Ganz klar, dass auch Krankenschwestern und -pfleger unfreundlich sind und das Essen unter aller Sau ist. Gegenargumente werden da nicht zugelassen. Schlimm wird es nur, wenn man von solchen Exemplaren selber ins Kreuzfeuer genommen wird. Hier helfen dann nur oben genannte Abwehrmaßnahmen.

Der eine oder andere Besucher bringt es auch fertig, dass man aus den Unterhaltungen die familiären Situationen des Mitpatienten herausbekommt. Dieser und jener ist dann auch schon mal konsterniert weil Tante A. noch nicht am Krankenbett war oder was Onkel B. denn hier zu suchen hatte.

Wenn es schon die Besserwisser gibt, die alles herunterspielen, so gibt es auch die gegenteilige Spezies, die die Patienten gerne verunsichern, harmlose Krankheiten als todbringendes Leiden definieren, dann nach der Patientenverfügung fragen und Mitleid bekunden. Es fehl dann nur noch, dass man ein gutes Bestattungsunternehmen emfielt. Da wird dann meistens auch der Arzt konsultiert; man macht sich ja solche Sorgen. Pflegepersonal wird angewiesen, sich doch besonders um den angehörigen Kranken zu kümmern. Vorsicht, vor solchen Exemplaren ist man selber nicht gefeit.

Die Folge von solchen Angehörigen sind dann meistens Patienten, die dann sehr „leidend“ sind. Da wird dann aus einem Furunkel schon mal ein bösartiger Tumor. Ein leichtes Ziehen in irgendwelchen Gliedmaßen erfordert dann ein stark sedierendes Schmerzmittel. Leicht erhöhte Temperatur wird zur schlimmen Fieberattacke. Etwas erhöhter Blutdruck wird zu Herzrhythmusstörungen. Die Frage nach dem Stuhlgang artet dann in der detaillierten Beschreibung der Darmausscheidungen aus. Schmerzen im Bauchraum erfordern dann schon mal eine strenge Diät. In vielen Fällen kommt dann zu der Primärerkrankung noch einige Sekundärleiden hinzu. Der rote Knopf an der Wand hat für diese Archetypen magische Kräfte. Da wird dann schon mal nach der Schwester oder dem Pfleger geläutet, wenn das Kopfkissen verrutscht ist, man noch etwas Wasser – aber nur aus der grünen Flasche, das andere verträgt man ja nicht – nach geschenkt haben möchte und wegen anderer Nickeligkeiten, die hier den Rahmen sprengen würden. Aber auch so erregen sie schon Aufmerksamkeit, indem sie von Zeit zu Zeit laut stöhnen oder jammern. Vorsicht, bitte nicht darauf reagieren oder etwa selber die Schwester rufen; einfach ignorieren und wenn möglich, Mp3-Player an, Kopfhörer auf die Ohren und laut Musik hören.

Doch noch einmal zurück zu meinem letzten Abstecher auf der chirurgischen Station des St. Josef Hospitals in Gelsenkirchen-Horst. Ich kann das ruhig erwähnen, denn mein Bericht wird wohl keine Leumundsklage hinter sich führen. Außerdem bin ich mit dem Haus – und dieses mal auch – zufrieden. Hier wird man noch als Mensch behandelt und nicht als der Patient Nr. X. Nebenbei bemerkt, auch die Küche ist hervorragend. Wichtig ist auch, die Ärzte keine Herrgötter in Weiß, sondern Menschen mit denen man reden kann und die Rede und Antwort auf Fragen geben, die man stellt.

Am ersten Tag dann gleich die OP. Die Voruntersuchungen fanden einen Tag vorher Vorstationär statt. Spart den Krankenkassen einige Euros. Jedenfalls war ich dann von zehn bis sechzehn Uhr vom Zimmer. Zehn Minuten später kamen dann meine Mädels. Doch kurz darauf meinte dann die Kleine, dass sie doch lieber gehen wollte, ich sähe doch irgendwie Scheiße aus. Kinder sind halt ehrlich. Einen Tag später am Mittag war ich dann endlich wieder „da“. Leider auch Besucher die wohl alle ihr Kommen auf diesen Tag verlegt hatten. Irgendwann hörte ich dann nicht mehr zu, was man mir erzählte. Ich war ganz einfach erledigt und wollte nur noch meine Ruhe. Außerdem hatte ich noch nicht eine Seite in meinem Buch lesen können. Aber um es vorweg zu nehmen: ich schaffte es noch in der Zeit und konnte sogar noch ein zweites anfangen.

Am dritten Tag kam dann ein neuer Patient aufs Zimmer, der einen Tag später operiert wurde. Der Arme war deswegen ans Bett gefesselt und von daher etwas hilflos. Da ich kein Interesse an Konversation hatte, gab ich ihm die Fernbedienung für den Fernseher, der übrigens bis dato ausgeschaltet war. Böser Fehler, wie ich kurz darauf feststellen musste. Der Mensch hatte wohl die Fernbedienung mit einer Klaviatur verwechselt. Kurz und gut, da wurde gezappt was der Finger herhielt. ARD, Verbotene Liebe > ZDF, SOKO Stuttgart > RTL, Explosiv > SAT1, Hand auf Herz > ProSieben, die Simpsons – hier verweilte er etwas länger, bis zur Werbung > wieder zurück zur ARD, dann RTL, zwischendurch ein Abstecher zu VOX und kabeleins, dann die gleiche Prozedur von vorne usw. Da war für mich von Lesen keine Rede. Mir blieb dann nur noch eins übrig und das war, den MP3-Player an, Kopfhörer auf und Mozart auf volle Lautstärke. Doch irgendwann ließ das Hin- und Herschalten nach. Wahrscheinlich als Folge von Lähmungserscheinungen im Zeigefinger.

Wenn ich gedacht hatte, mal so richtig ausschlafen, war wohl nichts. Morgens dann immer ein Auftritt wie der Einsatz eines Sondereinsatz-Kommandos. Zuerst die Menschen von der Pflege. Blutdruck, Puls und Fieber messen. Die obligatorische Frage nach dem Stuhlgang. Dann die Frage nach dem Schmerzempfinden auf der Richterskala von null bis zehn. Beim Betten machen dann noch etwas small talk. Kurz darauf oder kurz vorher dann die „Operation Weißkittel“, bekannt auch als Visite. Meistens so an die vier Ärzte. Frage nach dem allgemeinen Befinden und explizit nach den Genesungsfortschritten der ausgeführten Operation. Doch wie gesagt, auf Fragen wurde ausführlich geantwortet. Kein arrogantes herablassendes „na das wird schon“. Doch mir passierte auch so mancher Lapsus. Entweder ich war, wenn Visite war, gerade im Bad und wollte mich waschen oder meine mobile Telekommunikationseinheit gab Signaltöne von sich.

Am fünften Tag, ich hatte es doch tatsächlich geschafft mich im Bad zu waschen und anzuziehen ohne von der ärztlichen Visite oder des pflegerischen Einsatzes unterbrochen zu werden, war das dritte Bett von einem kleinen Jungen von fünf Jahren belegt. Die Mama war selbstverständlich dabei. Ich sah mich schon abends Märchen erzählen – da habe ich allerdings keine Probleme mit, durch meine Kinder habe ich da Übung drin – , doch er blieb nur zu einer ambulanten Operation und war am Nachmittag wieder weg.

Am achten Tag war dann meine Entlassung und ich hatte doch noch einige Stunden der Ruhe für mich finden können. Wie gesagt, ein Buch ausgelesen und das zweite angefangen. Das konnte ich aber noch nicht zu ende lesen, denn als ich zuhause ankam musste ich feststellen, dass meine Mädels doch ein leichtes Chaos hinterlassen hatten. Es ging dann daran, die Wohnung aufräumen, Wäsche waschen und bügeln. Ich muss sagen, eine seltene Form der gesundheitlichen Rehabilitation.

Veröffentlicht am März 20, 2011, in Uncategorized. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. Ein Kommentar.

  1. Der Text war schön geschrieben. Leichte Kost sage ich da mal. Was heissen soll leicht und fliessend zu lesen. Jedoch gibt es starke Mängel was den Inhalt betrifft, da dieser an einigen Stellen leicht von der Realität abweicht. Häufig sind diese Inhalts Fehler rund um das Thema „Die Mädels“ zu finden.

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