Vater und Töchter

Jetzt ist sie weg, meine Große. Irgendwann würde dieser Tag kommen, das war mir durchaus bewusst. Aber dann ging es auf einmal ganz schnell. Sie fehlt mir. Eigentlich war es keine so lange Zeit, die sie bei mir und der Kleinen verbrachte. Am 2. Juni, einen Tag vor Fronleichnam zog sie mit ihrer Katze bei uns ein, oder besser gesagt, bei der Frau die sie geboren hatte, aus. Ich weiß, wenn ich sie in dieser Beziehung als Mutter bezeichnen würde, würde ich sie damit schwer treffen. Aber als es an diesem besagten Tag mit dem zusammen wohnen nicht mehr passte, war es für mich kein Thema, dass sie bei mir einzog. Geplant war von ihr allerdings, dass sie sich über kurz oder lang eine eigene Wohnung anmieten würde. Es war ja nicht immer eitel Sonnenschein zwischen uns beiden. Nach meinem Auszug mit der Kleinen aus der ehelichen Wohnung, gab es schon herbe Reibereien zwischen uns. Es ging um Unterhalt. Später gab sie dann zu, dass sie von meiner Verflossenen in dieser Richtung gegen mich manipuliert gewesen war. Wir konnten uns dann aber schnell einigen, die Große und ich.

Nur, es war kein langer Aufenthalt geplant. Doch die Wohnungssuche gestaltete sich nicht als ganz so einfach. Und je länger sie bei uns war, um so mehr bekam unser Zusammenleben eine Struktur. Sie machte unser Zuhause nach ihrer Ansicht nach etwas wohnlicher, indem sie meine Ordnung etwas auf den Kopf stellte. Auch ihre Katze konnte sich mit mir nicht so recht anfreunden. Ich bin halt mehr der Hundetyp, der zwar Katzen generell nicht ablehnt, aber sie finden keinen Zugang zu mir. Aber ich sagte mir, dass es nur Belangloses war, an dass ich mich langsam gewöhnen konnte.

Viel wichtiger sind es die Gespräche, die wir führen; mit Niveau und von Qualität. Unsere Themen gehen meistens über Kunst und Literatur. Intentionen von Gedichten, Texten und Geschichten waren häufig ein Anlass von Diskussionen. Manchmal sind wir einfach nur gute Freunde, die zusammen einkaufen – in letzterer Zeit waren unser Ziele meistens Baumärkte und Einrichtungsläden – gehen, dabei unheimlich viel Spaß haben und gerne lachen.

Als Vater habe ich auch zu jeder Zeit ein offenes Ohr für sie und der Kleinen, wenn es bei der Großen dann um Beziehungsprobleme mit Exfreunden oder neuen Liebesverhältnissen geht, so braucht ihre Schwester dann meistens Zuwendung wenn es in der Freundschaft mit der besten Freundin kriselt oder es Stress in der Schule gab. Bei kleineren Verletzungen bin ich dann auch für die medizinische Versorgung zuständig. Was den Kleidungsstil dann aber angeht, so ist die Große dann der bessere Tutor und Archetyp. Es wäre jetzt unglaubwürdig und unrealistisch, wenn ich behaupten würde, dass sich beide immer super toll verstehen würden. Bei Zwistigkeiten zeigt die Große dann, wo die Grenzen liegen. Da ich mich aus solchen Querelen heraushalte, finden beide wieder schnell zueinander.

Es gibt wohl den Ausspruch: wenn Zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Aber es war dann schon mal so, dass ich sagen konnte: wenn Zwei zusammenhalten hat der Dritte, in diesem Fall ich, schlechte Karten. Aber psychologisch-pädagogische Grundkenntnisse haben mich dazu bewogen, diesen Zusammenhalt noch zu fördern, indem ich sie für eine vermeintliche Übertretung, so belohnt habe, dass ich ihnen zwei gleiche Röcke gekauft hatte, damit sie ihre Solidarität auch äußerlich unter Beweis stellen konnten.

Nur wenn es dann darum geht, dass ich auch Interessen in Richtung einer Beziehung habe, so gehen die Ansichten konträr auseinander. Während die Große mir ein neues Liebesverhältnis wünscht, so besteht bei der Kleinen der Standpunkt, dass, wenn ich eine neue Liebesbeziehung eingehen würde, es für sie eine neue Mutter sein würde. Ich bin jetzt auch ihr wichtigster Pol in ihrem Leben, auch wenn sie schon weit aus dem Kindergartenalter heraus ist, wo man den Papa heiraten möchte. Es sind ihre wenigen Lebensjahre, die sie nicht verstehen lässt, dass auch ich mich nach einer Beziehung sehne, die mir glückliche Momente beschert. Dass auch ich wieder in einem Arm liegen kann, in dem ich abends einschlafe und morgens aufwache. Einfach das gute Gefühl der Zusammengehörigkeit.

Aber was macht es aus, dieser innige Zusammenhalt, den Väter mit ihren Töchtern haben, die in meinem und der Großen eine Allianz bilden gegen die Erzeugerin der Kinder, die manche Mütter eifersüchtig werden lassen? Vielleicht ist es so, dass es die ähnliche feminine Äußerlichkeit ist, die eine Frau und Mutter in den jungen Jahren einer Ehe hatte, gepaart mit den gemeinsamen und eigenen Charakterzügen und Eigenschaften. Die Große zeigt zum Beispiel starkes soziales Engagement, hat den gleichen Tick für Grünpflanzen in der Wohnung und die Kleine ist mir eine interessierte Partnerin, wenn wir in die Oper gehen. Auch meine Faible für die Berge und Bergwandern teilt sie mit mir.

Aber jetzt ist die Große raus. Auch die Kleine ist darüber nicht ganz glücklich.Schränke sind leer, im Bad ist jetzt wieder reichlich Platz. Allerdings ist das Angebot an Körperpflegemittel für die Kleine ganz gewaltig geschrumpft. Die Kratzbäume und Futternäpfe der Katze sind auch schon in ihrer neuen Wohnung. Auch die Katze ist weg. Komisch, fehlt mir auch irgendwie. Sie wohnt wohl ganz in der Nähe, eine Haltestelle weit entfernt, hat noch einen Schlüssel – ich hab auch einen von ihr -, und ist bestimmt noch oft bei uns. Trotzdem, es ist ein Loch, dass sie hinterlässt. Als sie dann raus war, hätte ich weinen können. Doch ich kann keine Tränen zeigen, es scheint so, ich habe keine – ein Junge muss stark sein und darf nicht weinen – , doch wenn ich traurig bin, so weine ich nach Innen. Und dann ist das Fass mit den schlechten Gefühlen, Demütigungen und anderen negativen Einflüssen schnell voll und läuft dann über. Dann weiß ich, dass meine Stärke nur eine bröcklige Fassade ist, hinter der die Depression steckt, die mich in ihr schwarzes Verließ zieht.

Veröffentlicht am November 13, 2010, in Uncategorized. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. Hinterlasse einen Kommentar.

Hinterlasse einen Kommentar